Wälder
Wälder bilden auf den meisten Flächen in Mitteleuropa die natürliche Klimax-Gesellschaft. Zumeist gelangt natürlicherweise die Buche
(Fagus sylvatica) zur Vorherrschaft. Erst oberhalb von 1000 m NN kommt die Fichte in nennenswerter Weise hinzu, die dann am Alpennordrand
in etwa 1700-1800 m NN die Waldgrenze bildet.
Die Buche fehlt aber vielen extremeren Lebensräumen, so an sandig-sauren oder besonders trocken-warmen und auch moorigen Stellen.
Hier konnten sich Bruchwälder (Birke oder Erle), Auwälder, Flaumeichenwälder,
Eichen/Birkenwälder oder Kiefernwälder (etwa inneralpine Föhntäler) ausbilden.
Nur wo der Standort zu trocken/flachgründig oder zu nass/moorig für Baumbewuchs war, konnten sich Offenlandgesellschaften
entwickeln, etwa in Verlandungszonen, Hochmooren, Flußuferbereichen (Schotterbänke etc.), felsigen Steilhängen oder Blockschutthalden.
Allerdings dürften vor der Rodung durch den Menschen auch schon wildlebende, heute ausgerottete große Säugetiere für saumreiche,
mindestens halboffene Stellen gesorgt haben.
Unsere heutigen Fichtenforste oder Hallenbuchenwälder haben leider mit den unterholzreichen, stellenweise
lichten und sicher artenreichen Urwäldern fast nichts mehr gemeinsam. Und dies innerhalb kürzester Zeit und trotz einer jahrhundertelangen
Nutzung, die zunächst sehr artenreiche Lebensräume für Schmetterlinge entstehen ließ.
Historische Nutzung
Die Nutzung der Wälder war früher durch folgende Faktoren gekennzeichnet:
- Nährstoffentzug durch Waldweide, Entnahme von Holz und Ästen für unterschiedlichste Zwecke [Baumaterial, Brennholz, Holzkohlegewinnung, Futtergewinnung], Plaggenwirtschaft etc.
- Begünstigung licht- und saumreicher Strukturen durch Waldweide, nieder- und mittelwaldartige Bewirtschaftung und den Nährstoffentzug
Bei der Niederwaldwirtschaft wurde der Bestand in regelmäßigen Abständen (etwa 10-15 Jahre) auf den Stock gesetzt (bodennah abgesägt), was ausschlagsfreudige
Lichtbaumarten wie Eichen, Linden oder Sträucher begünstigte und Schattbaumarten (Buche, Bergahorn etc.) zurückdrängte. Im Mittelwald ließ man einzelne Bäume, meist Eichen,
als Überhälter stehen (Schattenspender, Eichelmast für Schweine).
Durch diese Nutzung wurde der Wald bei zu großer Intensität und auf armen Böden auch fast ganz verdrängt. So entstanden etwa die einst großen Heidegebiete Norddeutschlands.
Unser Wald heute
Durch Ertragsrückgänge bei steigendem Holzbedarf wurde zu einer planmäßigen Forstwirtschaft mit folgenden Faktoren übergegangen:
- Trennung von Wald und Weide, die selbst heute noch für die letzten Wälder gefordert wird, wo das heute noch stattfindet: Bergwälder der Alpen
- Aufforstung mit standortfremden aber schnellwüchsigen Arten (Fichte!)
Dadurch ging auch die Nutzung als Niederwald zurück. Als Ergebnis sind heute vielerorts lichtarme, naturferne Forste enstanden. Selbst Wälder,
die sich zunächst nicht für Fichtenanbau eigneten wie Auwälder, wurden durch
Grundwasserabsenkungen im Rahmen des Gewässerausbaus zu Fichtenäckern degradiert.
Wo noch Relikte naturnaher, lichtreicher Wälder existieren, wird derem Restarteninventar bei der geringsten Schwammspinnerkalamität mit der chemischen Keule (Dimilin etc.) zu Leibe gerückt.
Festzuhalten bleibt, dass im Verlauf von etwa 150 Jahren in den mitteleuropäischen Wäldern ein gigantischer Entsaumungsprozess stattgefunden hat, wodurch sonnenabhängigen Insekten wie den Tagfaltern weitgehend die Lebensgrundlage entzogen wurde.
Hier die Ursachen für die heutige, immer weiter voranschreitende Entwertung der Wälder aus lepidopterologischer Sicht:
- Dunkelwaldwirtschaft, Aufgabe traditioneller Bewirtschaftung wie Mittelwaldwirtschaft, Anpflanzen von dichten Fichtenforsten, Buchen und Ahornen (Kiefernwälder [Lichtbaumart!] sind hingegen lichter und gras- bzw. unterholzreicher und somit auch schmetterlingsreicher)
- Aufforsten von Waldwiesen, Lichtungen, jeder noch so kleinen Bestandslücke
- Plenterwirtschaft anstelle von Kahlschlagswirtschaft: Kahlschläge sind oft letzte Offenflächen im Wald und werden durch Orkane leider viel zu unregelmäßig auch natürlich geschaffen
- Grundwasserabsenkungen durch Trinkwassergewinnung, Flussregulierung etc.
- Eutrophierung aus der Luft: Entsaumung und artenarme Brennesselmonokulturen (nur mehr Nesselfalter wie Araschnia levana und einige Nachtfalter)
- Ausmähen von Schonungen, damit die Bäumchen noch schneller wachsen, Entfernen von wirtschaftlich wertlosen Weichhölzern wie Weiden und Espen, Plastikhosen für die Bäumchen
- Immer schnelleres Vorrücken von Neophyten, die bei flächiger Ausbreitung so manchem Vorkommen bedrohter Insekten durchaus den Rest geben kann. Hier sei an Solidago etwa in der Rheinebene oder Impatiens glandulifera am Bodensee erinnert.
- Ein ergänzender, stellenweise negativer Vorgang ist die rigide Verringerung des Wildes (Rehe, Wildschweine), das bei hoher Dichte einige Lichtungen etc. länger offenhalten kann.
Bedeutung des Waldes für Schmetterlinge
Wälder sind von großer Bedeutung für viele Nachtfalter (ganz besonders Geometriden und Notodontiden), deren Larven sich von Laub- oder sehr selten auch Nadelgehölzen ernähren.
Unter den Tagfaltern sind eigentliche Waldarten in der mitteleuropäischen Fauna eher spärlich vertreten, etwa Argynnis sp., Limenitis sp., Apatura sp., Pararge aegeria oder Lopinga achine.
Selbst diese Arten sind fast immer auf lichte, sonnendurchflutete Bestände angewiesen und überleben nicht in Fichtenmonokulturen ohne Säume!
In lichtreichen Mittelwäldern kommen in den Säumen zu diesen Waldarten zusätzlich noch viele Arten der Magerrasen, Staudenfluren und des mesophilen Offenlandes hinzu, so dass
in solchen Beständen auch extrem hohe Artenzahlen erreicht werden können.
Festzuhalten bleibt somit: Für viele Tagfalterarten ist der Wald nur als Windschutz und Strukturelement von Bedeutung und sie können nur dann vorkommen, wenn der Bestand licht, krautreich, stellenweise aber auch hager und vor allem saumreich ist (insgesamt abwechslungs- und lichtreich).
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